· 

Heimchen am Herd

Es gibt sie, diese Tage, an denen es im Kopf rund geht.

 

Diese Tage, an denen man sie hin und her klaubt, die Gedanken, von einer Seite auf die andere, von links nach rechts, von vorne nach hinten.

An diesen Tagen ist geistig einiges in Bewegung, malt man sich alles Mögliche – manchmal in den schwärzesten Farben - aus, dreht es sich, das Karussell im Kopf.

Das Gedankenkarussell.

„Overthinking“ nennt das die Psychologie.

Auch ich bin dann und wann eine „Overthinkerin“, eine Gedankenklauberin, eine Grüblerin.

Auch ich kaufe mir gelegentlich eine Fahrkarte und drehe im Gedankenkarussell meine Runden.

Fallweise kann ich gar nicht anders, als gewisse Situationen oder Ereignisse etwas ausgiebiger zu be-denken. Ich kann halt auch nicht aus meiner Haut heraus. 
In den meisten Fällen weiß ich aber doch, wann es Zeit ist, wieder auszusteigen, bevor es be-denklich wird, bevor der Denk-Schwindel (!) überhand nimmt.

 

Was mir dabei hilft?

An manchen Tagen das, zum Beispiel:

 

Ein Stückchen Butterschmalz in die heiße Pfanne geben, einen Schöpfer Teig dazu, Pfanne drehen, Teig bräunen lassen, wenden, wieder bräunen lassen, Palatschinken zum Warmhalten ins Rohr schupfen, ein Stückchen Butterschmalz in die heiße Pfanne geben, einen Schöpfer Teig dazu, Pfanne drehen, Teig bräunen lassen, wenden, wieder bräunen lassen, Palatschinken zum Warmhalten ins Rohr schupfen, ein Stückchen Buttersc…

 

Gut dreißig Mal wiederhole ich diesen Vorgang.

Kein Grund, mich deswegen zu bedauern.

Ich backe gerne Palatschinken.

Wenn mich etwas sehr beschäftigt oder belastet, rühre ich instinktiv einen Teig aus Mehl, Milch, Eiern und Salz an.

Ganz nebenbei kann ich meine Gedanken ordnen, während ich Pfonnakuacha, wie meine Oma zu sagen pflegte, produziere.

Man kann also festhalten:

Palatschinkenback-Tage sind oftmals Gedankensortier-Tage.

 

Anstelle von Meditation (dafür bin ich zu untalentiert) oder eines flotten Spaziergangs (dafür bin ich zu unterbelüftet) stehe ich lieber am warmen Ofen und verarbeite den hellgelben Teig zu schönen runden Fladen. Während der Palatschinken-Stapel wächst, verkleinert sich im Idealfall das Kopf-Tohuwabohu.

 

Bisweilen stellt sich dabei Klarheit ein. Es ist ein gutes Gefühl, wenn ich auf einmal weiß, was der nächste richtige Schritt sein wird, was ich zu tun habe, um zum Beispiel einen (inneren) Konflikt zu entschärfen.

 

Wenn es gut läuft, wird mir beim Eingießen und Drehen des Teiges bewusst, dass ich mir gerade mehr Sorgen mache, als ich tatsächlich habe.

Wenn es richtig gut läuft, verstehe ich Zusammenhänge.

Wenn es außerordentlich gut läuft, eröffnen sich neue Sichtweisen.

 

Allheilmittel ist das Palatschinkenbacken aber trotzdem nicht.

Nicht immer läuft die gedankliche Sortierung so geschmiert wie beschrieben. Genauso, wie der Teig manchmal in der Pfanne picken bleibt, ist es auch mit den Gedanken im Kopf.

 

An manchen Tagen mache ich vollkommen ohne Hinter-Gedanken Palatschinken. Dann ist der ganze Prozess - nüchtern betrachtet - einfach nur das:  Die Zubereitung einer Mahlzeit zur Ernährung der Familie.

 

Ob die Palatschinken nun in Begleitung von gründlicher Denkarbeit oder geistiger Leichtigkeit entstanden sind, ist für den Ess-Genuss unbedeutend. Köstlich schmecken sie einfach immer.

 

Bekanntlich wird ja nichts so heiß gegessen wie gekocht.

 

Und am nächsten Morgen sieht die Welt sowieso schon wieder anders aus.

 

  © Carmen Wurm

 

(Anmerkung zum Foto:  Ja, diese Palatschinken haben einen leichten Grünstich, weil sie nämlich als Spinatfrittaten in die Suppe mussten und nicht mit Marmelade gefüllt wurden. Schmecken mindestens genauso fein. Ich habe diese Woche aber tatsächlich dreißig Marmeladepalatschinken, jedoch kein Foto davon, gemacht. So musste ein Bild aus dem Archiv her. Und ja, ich hatte viel zu spekulieren. Aber heute ist es wieder gut.)

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Agnes u.Volker (Sonntag, 24 März 2024 16:16)

    Danke Carmen,jetzt wissen wir,warum wir so gerne Palatschinken essen ,sei´s als Fritatten oder süß;ob dann bei uns überhaupt Gedanken geordnet werden ????

  • #2

    Carmen (Sonntag, 24 März 2024 18:27)

    Palatschinken gehn auch ohne Gedankenordnung ganz gut!!