Ich bemühe mich seit einiger Zeit wirklich um sie. Seit ich begriffen habe, dass ich gar keine andere Wahl habe, als sie trotz all der inneren Widerstände und Neins in mein Leben zu lassen, geht manches sogar wieder etwas leichter.
Es wird nicht gehen ohne sie.
Es wird nicht gehen ohne die Akzeptanz.
Das weiß ich inzwischen.
Worauf ich aber bisher nur spärliche Antworten gefunden habe, ist das WIE.
Wie lernt man sie, die Akzeptanz? Wie geht denn das jetzt eigentlich, dieses Akzeptieren?
Am einfachsten wäre ja ein Schalter, den ich umlegen könnte, und schwupps – hätte ich das, was ich eigentlich überhaupt nicht haben wollte - also meine Krankheit und all ihre Begleiterscheinungen - akzeptiert.
Aber wie es sich schon erahnen lässt: den Schalter gibt es nicht. Und einfach ist in diesem Zusammenhang rein gar nichts. Schon allein das Wort ist zungenbrecherisch und sperrig. Akzeptanz.
Es geht schwer über die Lippen und auch schwer in die Tastatur. Ich vertippe mich jedes Mal dabei. Leicht macht sie es mir nicht. Die Akzeptanz.
In der Theorie klingt es so:
„Akzeptanz bedeutet, dass wir eine Person, ein Problem oder eine Situation so annehmen, wie sie ist, obwohl sie nicht unseren Wünschen und Erwartungen entspricht.“
So schön, so gut. Aber echt kein Zuckerschlecken. Weitergeholfen hat er mir trotzdem, dieser Spruch. Im Annehmen meiner Lebens-Situation, die absolut nicht meinen Wünschen und Erwartungen entspricht.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass jedes Stockwerk, jede Steigung, jedes kleine Hügelchen eine riesige Hürde für mich bedeuten.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass ich seit zwei Jahren nachts mit einem Sauerstoffschlauch in der Nase schlafe, um meinem Körper die nötige Entlastung und Erholung zu ermöglichen.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass ich in meiner Vitalität stark eingeschränkt bin und mich von vielen geliebten Aktivitäten verabschieden musste.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass ich durch meine chronische Erkrankung in manchen Bereichen auch ins Abseits geraten bin.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass mir die Nebenwirkungen meiner starken Medikamente zu schaffen machen.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass ich körperlich kaum mehr arbeiten kann und ich daher in diesem Bereich ziemlich behindert bin.
Es entspricht nicht meinen Wünschen und Erwartungen, dass ich mich für diese Umstände manchmal schäme.
Gelegentlich gelingen mir aber auch schon solche Gedanken:
Es ist, wie es ist.
Es ist, was es ist.
Es gibt nichts schönzureden.
Es kann aber trotzdem wieder schön sein.
Mein Leben.
Dieses so zu akzeptieren, wie es eben ist, versuche ich gerade zu lernen – ohne Anleitung, ohne konkrete Antworten. Learning by doing sozusagen. Ein Schritt nach dem anderen. Und ich bin noch ziemlich am Anfang.
Richtig kompliziert, mühsam und bitter wird es, wenn mein Akzeptanz-Lernprozess einmal mehr von Rückschlägen gestoppt wird. Wenn ich zum Beispiel monatelang von schweren Infekten heimgesucht werde, die mir das Atmen, das Bewegen und das Leben zusätzlich anstrengend machen.
Richtig traurig, bedrückend und schmerzhaft wird es, wenn dies wieder einmal genau um die Weihnachtszeit eintritt. Schnell sind wir alle wieder in jene Winter vor fünf und drei Jahren katapultiert, in denen es mir sehr schlecht ging. Dann ist es eine stete Gratwanderung. Muss ich schon ins Spital oder geht es daheim noch? Was, wenn kein Arzt, der sich mit mir auskennt, erreichbar ist? Ich huste, schnäuze, schleppe und weine mich durch die Feiertage, die eine große Herausforderung für die ganze Familie sind.
In dieser Zeit „zwischen den Zeiten“, in der gefühlt die halbe Welt ihre Wünsche fürs neue Jahr manifestiert, um das Allerbeste für sich herauszuholen, weil man sein Leben ja selbst in der Hand hat, in dieser Zeit fühle ich mich einmal mehr ohnmächtig. Ich bin verzagt.
Wie soll ich es schaffen, wieder Boden unter den Füßen zu spüren?
Wie soll ich es schaffen, mich wieder aufzurichten?
Mein Vertrauen schwindet.
Es stutzt mich zurecht, das Leben, wenn ich gerade das Gefühl habe, ein bisschen neu auszutreiben.
Es wirft mich zurück ins kalte Wasser, aus dem ich mich mühsam herausgestrampelt habe.
Das ist hart, besch*****, gemein.
Aber es gibt niemanden, dem ich dafür die Schuld geben kann. Auch nicht mir selbst.
Nein, wir haben nicht alles in unserer Hand. Auch ich habe nicht alles in meiner Hand.
Ich habe momentan wahrscheinlich einfach ein bisschen Pech. Andere haben vielleicht einfach Glück.
Auch ich glaube noch immer an das Gute, und manchmal reicht mir ein winziger Lichtstrahl, um wieder Mut zu fassen. Getröstet zu werden, tut immer gut. Mir und uns allen.
"Trost heißt nicht, dass alles gut wird. Trost heißt am Schmerzfluss Ufer bauen, Liegeplätze, an denen man den Kahn anbinden, aussteigen und sich ausruhen kann." (Gabriele von Arnim)
© Carmen Wurm
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Vroni (Samstag, 06 Januar 2024 11:07)
Liebe Carmen, sehr treffend deine Aussagen und Akzeptanz ist wirklich sehr schwer, das weiß ich aus meinen Erfahrungen. Ich wünsche dir von ganzen Herzen, dass es dir immer mehr gelingen soll und sehr viel viel Kraft. Ich möchte dir noch sagen, dass ich mich immer sehr freue, dich zu sehen. Ganz liebe Grüße Vroni
Otto (Samstag, 06 Januar 2024 11:48)
Hallo Carmen
Harte aber wahre Worte.
Wichtig in dieser Situation ist die Familie.
Wichtig in dieser Situation ist Ablenkung.
Wichtig ist auf medizinische Hilfe zu vertrauen.
Wichtig in dieser Situation ist es mehr auf sich selber zu schauen.
Manuela und Ich wünschen Dir von ganzen Herzen das es bald wieder bergauf geht.
Gruß Otto
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 12:29)
Danke Vroni, Zöchbauer Vroni, oder?
Ich seh dich auch sehr gern :-)
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 12:33)
Otto du hast vollkommen recht!
Danke für eure guten Wünsche :-)
Anni (Samstag, 06 Januar 2024 12:40)
Liebe Carmen!Habe gerade deine Worte gelesen,meine Augen sind mit Tränen gefüllt.Das bringt dich jedoch nicht weiter, Hochachtung vor dir,gut das du darüber schreibst,tut dir gut.Wünsche dir von ganzen ❤️ alles alles gute.
Brei otto (Samstag, 06 Januar 2024 13:05)
Liebe Carmen, hab gerade deinen Beitrag gelesen, er macht mich sehr betroffen und mitfühlend. Ich finde es gut, dass du so offen über dein Befinden und deine Krankheit schreiben kannst. Wir können vieles nicht verstehen auf dieser Welt, so auch nicht deine Situation. Ich denke das wichtigste ist, das Schicksal annehmen und die Hoffnung das es wieder besser wird, nicht verlieren.
Ich wünsche dir viel Kraft und Zuversicht und alles alles Gute fürs neue Jahr.
Lg. Otto
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 13:49)
Vielen Dank, Anni und Brei Otto!
Ja, annehmen ist wichtig. Ich glaub, dass mir ein offener Umgang mit meiner Krankheit dabei helfen kann. Aber diese Öffnung war bis jetzt sehr schwierig für mich.
Liebe Grüße!
Veronika Fischl (Samstag, 06 Januar 2024 14:48)
Carmen ich drücke dich ganz fest � ich denke sehr oft an dich und schicke jedes mal gute Gedanken zu dir rauf wenn ich ins Revier fahr. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Ich wünsche dir, dass einfach besser wird. ���
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 15:20)
Danke Vroni, das wünsche ich mir auch sehr!
Martina K. (Samstag, 06 Januar 2024 16:55)
Liebe Carmen!
"Was du akzeptierst, verliert seine Macht über dich." So heißt es in einem sehr kraftvollen Spruch.
Jeder darf in seinem Leben die Erfahrung mit Akzeptanz machen. Manchmal ist es leichter, aber oft fühlt es sich zäh und schwer an.
Ich wünsche dir von �-en, dass du auf deinem Lebensweg diesen Meilenstein bald überwunden hast. Liebe, Selbstvertrauen, kleine alltägliche Glücksmomente & Lebensfreude sollen dir dazu nicht ausgehen.
Liebe Grüße von Martina
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 17:21)
Vielen Dank Martina!
Ich hoffe, ich lerns!
Bettina (Samstag, 06 Januar 2024 17:22)
Liebe Carmen, immer wenn ich deine Texte lese - bin ich den Tränen nahe. Ich wünsche dir von Herzen viel Kraft - und dass es immer in die richtige Richtung geht ���
Carmen (Samstag, 06 Januar 2024 17:31)
Dankeschön Bettina! Kann ich brauchen:-)
Monika Lauß (Sonntag, 07 Januar 2024 13:30)
Liebe Carmen,
deine Gedanken über die „Akzeptanz“‘ berühren mich sehr:
So traurig,
so schonungslos ehrlich
und doch - allein durch die transformierende Kraft deines Niederschreibens, in deiner gekonnten, wunderbaren Art -
so tröstend,
so heilsam und
wunderschön.
Vom Herzen alles Gute dir!
Carmen (Sonntag, 07 Januar 2024 15:31)
Vielen lieben Dank, Monika!
Gisi Moam (Montag, 15 Januar 2024 12:40)
Erich Fried ES IST WAS ES IST
Es ist Unglück
sagt die Berechning
ES IST WAS ES IST
SAGT DIE LIEBE
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst.
ES IST WAS ES IST
SAGT DIE LIEBE
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
ES IST WAS ES IST
SAGT DIE LIEBE
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
ES IST WAS ES IST
SAGT DIE LIEBE
liebe Carmen, ich spüre in deiner Familie und deinem Umfeld sehr viel davon.
Und: ch freu mich immer so, wenn ich Mina besuche und du in ihre Stubn kommst.
Gisi
Carmen (Montag, 15 Januar 2024 14:07)
Danke für dieses wunderschöne Gedicht, liebe Gisi Moam. Ich komme immer gern in die Stube, wenn ich weiß, dass du da bist :-)