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Auf den Spuren von Roland Kaiser

Nun sitzen wir also hier, im Wartebereich der Lungentransplant-Ambulanz im AKH Wien, mein Mann und ich.

Ich warte auf das Erstgespräch.

Sehr wahrscheinlich werde ich in absehbarer Zeit eine Spenderlunge brauchen.

Das, was mir der Lungenfacharzt schon vor zweieinhalb Jahren als Möglichkeit ist Aussicht gestellt hat, wird langsam konkret.

 

An diesem Sommertag im August 2021 begann eine neue Zeitrechnung für mich.

Bis dahin hatte ich noch gehofft, dass meine Lunge all das, was zuvor gewesen war, unbeschadet überstanden hatte.

 

Acht Zyklen der kräftezehrenden Immunsuppressionstherapie waren nach dem vollkommenen Zusammenbruch im Februar 2021 gerade überstanden.

So kamen die ehrlichen, aber harten Worte des Arztes, zu dem ich bis heute größtes Vertrauen habe, unerwartet und zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, wobei es einen günstigen Zeitpunkt für eine unangenehme Diagnose sowieso nicht gibt.

 

Sehr bestürzt und verdattert fuhr ich mit dieser Bürde heim und war vorerst nicht in der Lage, mich jemandem anzuvertrauen.

Der Kloß im Hals wurde dadurch immer größer, die Tränen konnten nicht frei fließen, Schwermut erfasste mich oft wellenartig.

Nach ein paar Tagen vertraute ich mich endlich meinem Mann an. Das war eine große Entlastung für mich.

Dennoch machte sich in der Folge eine Art Schockstarre bei mir breit.

 

Ich konnte und wollte das Wort „Lungentransplantation“ weder denken noch aussprechen und schon gar nicht mit jemandem darüber reden.

 

Unaussprechlich. 
Unglaublich.
Unwirklich.

 

Mein Unvermögen, die Dinge beim Namen zu nennen, führte dazu, dass viele Menschen in meinem Umfeld nicht wussten, wie sie mit mir umgehen sollten. Und ich wusste ja selbst nicht, wie ich mit mit diesen Umständen zurechtkommen sollte.

Die Sprachlosigkeit machte sich auch dadurch bemerkbar, dass mir das Schreiben sehr schwer fiel. Ich konnte das alles nicht einordnen, fand nicht die richtigen Worte. Darüber sprechen? Unmöglich.

Die Schwere hatte sich, bildhaft gesprochen, wie eine gläserne Kuppel um mich gelegt, in der ich mich gefangen fühlte und durch die auch kaum jemand zu mir vordringen konnte. 

 

Rückblickend verstehe ich, dass die Zeit einfach noch nicht reif war, dass ich noch nicht bereit war für die Offenheit, die mir jetzt so gut tut. 

Die Dringlichkeit einer Transplant war zu diesem Zeitpunkt nicht sehr hoch.

 

Im Laufe der Monate stellte sich eine gewisse Normalität ein, der geregelte Alltag war wohltuend. Ich genoss die schönen Momente. 

Dennoch bahnte sich die Traurigkeit immer wieder ihren Weg nach außen. Ich musste viel weinen, war manchmal sehr wehmütig und niedergeschlagen, teilweise auch depressiv.

 

Vor den Untersuchungen, die ja sehr engmaschig angesetzt waren, überkam mich Angst.

Angst vor verschlechterten Werten, Angst vor mangelnder Sauerstoffsättigung, Angst vor dem Lungenfunktionstest, Angst vor jedem Infekt.

 

Die Werte blieben mehr als zwei Jahre stabil. Auch mein Herz konnte sich dank einer wirkungsvollen Therapie und eines weiteren kompetenten Arztes sehr gut erholen.

Ich begann zwischenzeitlich sogar wieder zu arbeiten. Bald musste ich aber feststellen, dass ich damit vor allem körperlich überfordert war.

Mir ging bei den Führungen mit Gruppen, die ich prinzipiell gerne machte und thematisch auch sehr spannend fand, sprichwörtlich die Luft aus.

Dazu kamen die häufigen Infekte, die mich in den Krankenstand zwangen.

 

Vor zwei Monaten, im Jänner 2024, waren die Werte beim Lungenfunktionstest dann in einen kritischen Bereich gefallen. Der Facharzt riet mir eindringlich, das Thema Transplant nun endlich offensiv anzugehen.

 

Nachdem sich das erste Entsetzen gelegt und ich mich beruhigt hatte, konnte ich tatsächlich einen Schalter umlegen und wusste beim Heimfahren:

 

Ich werde diesen Weg gehen und schaffen, ich muss Klartext reden, ich brauche einen offenen Umgang mit dem, was mir und uns bevorsteht.

Von einem Moment auf den nächsten konnte ich die Transplant in einem völlig anderen Licht sehen, auch bestärkt durch den ärztlichen Zuspruch:

 

Als große Chance auf eine bessere Lebensqualität.

 

Den Kindern all das zu erzählen, war der schwerste Schritt.

Ihre Fassungslosigkeit, ihre Traurigkeit und ihre Tränen waren und sind unbeschreiblich schmerzhaft.

Dennoch nahm ich, als wir gemeinsam um den Tisch saßen, auch eine große Kraft und Stärke wahr, die in unserer Familie da ist.

Ich spürte in diesem Moment, dass wir das mitsammen überstehen und aushalten können und wir alle gestärkt aus dieser schweren Zeit hervorgehen werden.

Als ich dann auch mit Eltern, Geschwistern, der erweiterten Familie und mit meinen Freundinnen offen geredet hatte, stellte sich seltsamerweise eine gewisse Erleichterung bei mir ein, manch innere Druckstellen begannen sich zu lösen.

 

Nun bin ich also auf dem Weg Richtung Transplant, mit vielen Untersuchungen, Besprechungen und Wartezeiten.

Mir ist bewusst, dass kein Spaziergang vor mir liegt.

Aber ich habe wieder ein Ziel vor Augen, die berechtigte Aussicht auf Besserung.

Das stimmt mich grundsätzlich sehr positiv.

Starkes Vertrauen hab ich.
Das notwendige Glück wird hinzukommen.

Und falls jemand erfolgreiche Transplant-Geschichten kennt -  her damit!!!

Ich sag nur: Roland Kaiser ;-).

 © Carmen Wurm

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Kommentare: 23
  • #1

    Vroni (Sonntag, 10 März 2024 08:59)

    Liebe Carmen. Ich wünsche dir ganz viel Kraft für diese schwierige Zeit.

  • #2

    Carmen (Sonntag, 10 März 2024 11:53)

    Danke dir, liebe Vroni!

  • #3

    Sarah Reischl (Sonntag, 10 März 2024 12:35)

    Hallo Carmen!
    Ich wünsche dir auch ganz ganz viel Kraft und Glück für deinen Weg! LG Sarah

  • #4

    Carmen (Sonntag, 10 März 2024 12:42)

    Liebe Sarah, dankeschön!

  • #5

    Christa (Sonntag, 10 März 2024 13:32)

    Liebe Carmen! Unter Tränen lese ich deine Zeilen. Du bist eine bewundernswerte starke Frau. Ich weiß dass es dir nach der Transplantation besser gehen wird. Alles gute für dich und für deine Familie auf diesem im Moment sehr beschwerlichen Weg. ���

  • #6

    Carmen (Sonntag, 10 März 2024 13:48)

    Vielen Dank, liebe Christa!

  • #7

    Andrea Tews (Sonntag, 10 März 2024 17:39)

    Heute habe ich diese Seite entdeckt und bin tief beeindruckt.
    Wie ich den heutigen Abend verbringe, weiß ich.
    Ich werde diese HP durchstöbern. Für die bevorstehende Zeit Kraft und Zuverdicht und auch, das bisher manchmal fehlende, Glück.
    Alles Gute Andrea

  • #8

    Theresia Heuser (Sonntag, 10 März 2024 17:41)

    Liebe Carmen, ich wünsche Dir alles Liebe und Gute für den Weg, der vor Dir liegt.
    Du wirst das schaffen.
    Liebe Grüße Theresia

  • #9

    Evi Bitzan (Sonntag, 10 März 2024 17:51)

    Liebe Carmen,
    Barbara hält mich auf dem Laufenden bzgl. deiner Gesundheit. Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich! Den Rückmeldungen, dass du eine tolle und kraftvolle Frau bist, kann ich mich nur anschließen. Vieles berührt sehr, was du schreibst und ich wünsche dir, dass sich die gewählte Offenheit weiterhin als Kraftquelle bewährt. Alles gute für den kommenden Weg !

    Liebe Grüße
    Evi

  • #10

    Petra (Sonntag, 10 März 2024 18:02)

    Ich wünsche dir viel Kraft Carmen, du wirst auch DAS schaffen!��

  • #11

    Carmen (Sonntag, 10 März 2024 18:53)

    Ich danke euch allen ganz herzlich für die guten Wünsche und die bestärkenden Worte an mich!

  • #12

    Robert (Sonntag, 10 März 2024 20:04)

    Liebe Carmen!

    Alles, alles Gute! Du machst das mit links! Nur das Beste aus Wien!

    Liebe Grüße,

    Robert (Cousin von Hannes)

  • #13

    Pfeil Anni (Sonntag, 10 März 2024 21:14)

    Liebe Carmen!
    Hab gerade deinen Blog gelesen,Tränen kullern über meine Wangen.Wünsche dir Kraft und Zuversicht Du bist eine starke Frau und schaffst das.LG Anni Pfeil

  • #14

    Anita Wöß (Sonntag, 10 März 2024 21:50)

    Mei Carmen, ich wünsche dir die allerbeste neue Lunge, die es gibt, und dass es sie bald gibt! �
    Ganz liebe Grüße
    Anita

  • #15

    Carmen (Sonntag, 10 März 2024 22:14)

    Herzlichen Dank nochmals für die schönen Nachrichten und guten Wünsche! Ich habe alle aufmerksam gelesen und werde mir jeden einzelnen zu Herzen nehmen. Außerdem bin ich heute wirklich überwältigt von der Resonanz auf meine Beiträge!
    Der Schreibprozess an sich ist oft schon sehr heilsam für mich, und wenn ich dann auch noch so bestärkende Rückmeldungen bekomme, ist das doppelt schön.
    Und ich freue mich, wenn sich jemand in meinen Worten wieder findet, und etwas fürs eigene Leben mitnehmen kann. Egal, in welcher Situation. Wir alle tragen unser Päckchen.

    Danke
    Carmen

  • #16

    Daniela (Dienstag, 12 März 2024 06:36)

    Liebe Carmen. Ich wünsch dir alles alles Gute viel Kraft und gaaanz viel Glück �. LG Daniela

  • #17

    Carmen (Dienstag, 12 März 2024 08:04)

    Danke!

  • #18

    Franziska Schneeberger (Dienstag, 12 März 2024 16:52)

    Liebf Carmen,
    oh Carmen betroffen, zu Tränen gerührt und gleichzeitig bewundern las ich deine Zeilen...Liebe Carmen du bist so eine starke Frau und mit der Kraft deiner Familie wirst du den Weg der vor dir liegt bestimmt schaffen !
    Alles Gute !

  • #19

    Carmen (Dienstag, 12 März 2024 17:34)

    Vielen Dank!

  • #20

    Karl Silvia (Sonntag, 24 März 2024 07:20)

    Liebe Carmen
    Ich habe heute deinen Blog entdeckt und bin sehr beeindruckt !
    Ich werde dich in meine Gebete einschließen und wünsche dir Gottes Segen für deinen Weg!

  • #21

    Carmen (Sonntag, 24 März 2024 12:22)

    Vielen lieben Dank, Silvia!

  • #22

    Agnes u.Volker (Sonntag, 24 März 2024 16:48)

    Liebe Carmen,deine starke Zuversicht wird dir helfen,daß alles gut wird und du wieder frei durchatmen kannst.

  • #23

    Carmen (Sonntag, 24 März 2024 18:24)

    Ich danke euch, Agnes und Volker!